Im apokalyptischen Köln der näheren Zukunft vereinen sich, während sich der Bundeskanzler zum Gegenpapst erhebt und im Zeichen des Kreuzes immer mehr Menschen verschwinden, die Wege einiger im Überlebenskampf gestählter, teils brillanter, teils bizarrer Grenzgänger.
Inmitten dieses Albtraums schließen sie sich unter Führung des Oppositionellen-Idols Albert Bogatzky, der nicht nur das »Flankieren« beherrscht, sondern auch die Wahrheit zu kennen meint, zu einem Zweckbündnis zusammen.
Sie können die Menschheit retten.
Glauben sie …
Worum geht’s:
Köln, in naher (und inzwischen noch näherer) Zukunft: Hier herrscht ein Bürgerkrieg, den ein paranoider (und nicht mehr ganz dichter) Kanzler namens Schwammstein angezettelt hat, um sich in dem Chaos besser verstecken zu können und nicht auffindbar zu sein.
Auch im Rest von Deutschland herrscht das nackte Chaos: Schuldner (von denen es eine Menge gibt) werden aus gepanzerten Fahrzeugen von Geldeintreibern beschossen, Kinderbanden marodieren durch die Großstädte und Transplatations-Metzgereien entnehmen Organe unvorsichtiger Mitmenschen.
Einige Bürger leisten gegen diese Zustände Widerstand, an ihrer Spitze ihr Held Bogatzky, der gerne Amphetamine und anderes Zeugs schluckt und als einziger Mensch die Teleportation beherrscht.
In dieser Situation werden plötzlich Ergebnisse der ersten deutschen Venusexpedition bekannt: Man ist auf ein Wesen gestoßen, das sich als Gott zu erkennen gibt – und auch über entsprechende Fähigkeiten zu verfügen scheint. Plötzlich können sich alle Menschen ihren persönlichen Garten Eden schaffen.
Ein wahres Feuerwerk von Ideen!
Die Protagonisten:
Kanzler Schwammstein, nicht mehr abwählbarer Kanzler und Diktator von Deutschland, paranoid und mit rapide abnehmender Geisteskraft
Bogatzky, Held des Untergrunds, der als einziger Mensch die Fähigkeit erworben hat, ohne Zeitverzögerung durch reine Geisteskraft zu beliebigen Orten zu „flankieren“ (Teleportation), was ihn zum Staatsfeind Nr. 1 macht.
Gott, lebt auf der Venus und macht alle Menschen glücklich: Alles ist gut.
»Ich garantiere Ihnen, sofern Sie Humor haben,
ein großartiges Lesevergnügen und frage mich,
wieso Alles ist gut nicht mit dem Kurd-Lasswitz-Preis als
bester Roman des Jahres 1983 ausgezeichnet wurde.«
Ronald M. Hahn
Claire nippte an ihrem Paralyse-Flip und sah hinauf zur Wanduhr. Es wurde höchste Zeit für sie, wenn sie die Versammlung des Bogatzky-Komitees von Groß-Köln nicht versäumen wollte.
»Ich muss gehen«, erklärte sie und rutschte vom Barhocker. »Ich komme nächste Woche wieder vorbei, Karl, und dann können wir weiter über Zechschulden, lnitiationsriten und menschliche Tragödien diskutieren. Falls die Bomben nicht fallen. Mach‘s gut, Karl.«
»Wenn du nicht kommst«, drohte Karl, »miete ich mir einen Hai. Exklusiv für dich.«
»Haie?«, rief einer der Dealer. »Vor der Küste?«
»Und ausgerechnet dorthin ist Bogatzky flankiert?«
»Vielleicht ist das nur ein Mythos, vielleicht gibt es gar keine Haie in Neuseeland. Ich meine, das ist doch vorstellbar. Wer kann das schließlich bei Neuseeland schon so genau sagen?«
»Bogatzky?« Claire verließ den Eissalon und wurde vom Verkehrslärm umspült. Obwohl sich die Rush-hour ihrem Ende näherte, waren die Stadtautobahnen noch immer überfüllt, und das Gedröhn der Motoren schwappte wie trübes Wasser in die Seitenstraßen. Claire runzelte die Stirn. Es würde schwer werden, jetzt um diese Zeit ein Cittax zu bekommen. Sie verstaute die Sammelbüchse in ihrer selbstgestrickten Umhängetasche und ging langsam den Bürgersteig hinunter, ohne die Kinderschar aus den Augen zu lassen, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite zusammengerottet hatte. Die Kinder waren zerlumpt, verdreckt, ungekämmt und bewaffnet, und sie palaverten in ihrer unverständlichen Kindersprache und gestikulierten dabei, schwenkten ihre Messer, Totschläger und automatischen Pistolen und warfen Claire taxierende Blicke zu. Claire begann zu schwitzen, obwohl der Paralyse-Flip verhinderte, dass sie Angst bekam, aber rein intellektuell erfasste sie die Gefahr, die ihr drohte. Die Kinderbanden wurden von Woche zu Woche unberechenbarer, und seit einige Maschinenstürmer die städtische Polizeizentrale per Computersabotage lahmgelegt und menschliche Bürokraten die Kontrolle der Schnüffler übernommen hatten, war die große Stadt unsicherer denn je, überall kam es zu Mord, Raub und Aufruhr, und selbst in den streng bewachten Vierteln der Geldmänner war man der wachsenden Kriminalität fast hilflos ausgeliefert.
Die Kinder beendeten ihren schnatternden Disput und überquerten die Straße. Ihre Gesichter waren finster, ihre Blicke eindeutig, und Metall schabte über Metall, als sie im Laufen ihre Taschenmesser schärften. Der Geruch von Mord hing in der Luft, dick und schwer wie Zigarrenrauch, erstickend wie Gelbkreuz, und Claire begann zu rennen. Was für ein Tag, dachte sie verbittert. Erst der Schnüffler, dann Karl und jetzt das! Ihre Beine flogen. Claire war schnell, und sie lebte schon seit Jahren in der Illegalität der Straßenkämpfer und hatte gelernt, wie man sich auf den Straßen Kölns verhalten musste, wollte man dem nächsten Tag noch unversehrt und vertrauensvoll ins helle Morgenlicht schauen. Aber die Kinder waren schneller als sie, und das Trippeln ihrer Schritte kam immer näher. Als Claire sich für einen flüchtigen Moment umsah, stellte sie entsetzt fest, dass ihr ein sieben- oder achtjähriges Mädchen dicht auf den Fersen war. Das Mädchen war schmal und zart, besaß ein blasses, trauriges Gesicht mit trotzig geschürzten Lippen, und es schien im nächsten Moment weinen zu wollen, aber das Mädchen weinte nicht: In der rechten Hand hielt es ein Fleischermesser, und das kalte Glitzern in ihren Kulleraugen ließ keinen Zweifel daran, was es mit diesem Messer im Schilde führte. Nur noch wenige Schritte trennten die kriminelle Minderjährige von Claires Rücken. Claire hatte nicht gewusst, dass Kinder so schnell laufen konnten. Auch die anderen Kinder waren fast heran. In diesem Moment traten zwei Männer aus einem vergitterten Hauseingang auf die Straße. Sie trugen graue Anzüge, Hüte, Aktentaschen und Schockknüppel. Als sie Claire und die Kinderbande entdeckten, wurden sie blass und hasteten zurück ins Haus, und das Scheppern der eisernen Gittertür war wie ein misstönender Gong in der Kühle des Herbsttages. Dreißig Meter weiter lag die rettende Hauptverkehrsstraße, wo Cittax geschäftig hin und her rollten und Menschenmassen und Elektrische Schnüffler Sicherheit versprachen, doch kaum hatte Claire Hoffnung geschöpft, da stolperte und stürzte sie, fiel schwer auf den harten, kalten Asphalt.
Die Kinder grölten.
*
GRÜB: Bogatzky, wollen Sie unseren stromgespannten Hörern nicht flüstern, wo Sie sich die letzten Monate vor den Kopfjägern der Regierung versteckt haben?
BOGATZKY: Irgendwelche Strolche finanzieren seit Wochen ihre exzessiven Sauftouren über mein Konto, Grüb, reden wir also besser davon. Sollte einer von diesen Gaunern gerade zufällig zuhören, so kann er sicher sein, dass ich demnächst zu ihm hereinflankiere und ihm das Genick breche.
GRÜB: Aber Albert, warum tragen Sie das Ganze nicht mit Humor? Sie sind der meistgesuchte Mann der Welt und haben die einmalige Gelegenheit, live und fast unzensiert über UKW zu Ihren Fans und Kopfjägern zu sprechen. Ist das nicht großartig? BOGATZKY: Lenken Sie nicht ab, Grüb. Ich habe mein Konto präpariert und dafür gesorgt, dass jede Buchung drahtlos und ohne Zeitverlust dem Befa-12-Computer in der Wiesbadener Schnüffler-Zentrale weitergemeldet wird. Jeder Schuft, der jetzt noch mein Konto melkt, kommt auf die Schwarze Liste der Schnüffler, und was das heißt, davon kann ich ein Lied singen. GRÜB: Da Sie gerade davon sprechen: Was ist Ihre Lieblingsband, Bogatzky?
BOGATZKY: Störgeräusch.
GRÜB: Tatsächlich?
BOGATZKY: Letzte Woche bekam ich per Zufall ein Flugblatt der Westbank in die Finger, eine ungewöhnliche Methode, mir meine Kontoauszüge zuzustellen, aber zumindest habe ich so erfahren, dass mir Monat für Monat Cittax-Rechnungen in Höhe von über zwanzigtausend Mark abgebucht werden. Dabei fahre ich kein Cittax mehr, seitdem ich flankieren kann. Störgeräusch wird noch ihr blaues Wunder erleben.
GRÜB: Wie fühlt man sich, wenn man flankiert?
BOGATZKY: Als ob man an der Zunge aufgehängt wird.
Der Autor:
Thomas Ziegler ist das Pseudonym von Rainer Zubeil, einem der produktivsten Autoren der deutschen SF-Szene. Er wurde 1956 in einem kleinen Dorf in Niedersachsen geboren und wuchs in Wuppertal auf. Nach der Schulausbildung war er bis 1979 im öffentlichen Dienst tätig, bevor er sich als freier Schriftsteller selbstständig machte. Ab 1981 lebte er in Köln. 1976 begann er seine schriftstellerische Laufbahn mit SF-Kurzgeschichten (in diversen SF-Magazinen wie »Science Fiction Times«, »Comet«, »Solaris« etc., aber auch in Anthologien und den SF-Reihen bei Bastei, Goldmann und Heyne), wobei er schon das Pseudonym Thomas Ziegler nutzte. Sein erster Roman erschien 1977. In der Folgezeit schrieb er weitere Romane (z.b. »Zeit der Stasis«, gemeinsam mit Uwe Anton) und Exposés sowie Heftromane der erfolgreichen SF-Serie »Die Terranauten« oder auch für die PERRY RHODAN-Serie. Als Thomas Ziegler arbeitete er auch fürs Fernsehen, als Drehbuch- oder Dialogbuchautor (u. a. für die ARD-Serie »Verbotene Liebe«). Für seine SF-Geschichten und Romane wurde er insgesamt viermal mit dem »Kurd-Laßwitz-Preis« ausgezeichnet. Der Roman »Alles ist gut«, dessen Neuauflage wir hier vorstellen, erschien ursprünglich im Corian Verlag (1983) und spielt in Köln in naher Zukunft. Rainer Zubeil verstarb 2004 völlig unerwartet an einem Herzversagen.
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