Ein Weltraum-Roman alter Schule: Raumschiffe, Agenten, Abenteuer, fremde Welten, exotische Umgebung.
Ein Roman, in den man versinken möchte! Jetzt in durchgesehener und komplett überarbeiteter Neuauflage!
Der Inhalt in Kürze
Sascha Menschenskind wollte eigentlich nur Urlaub machen.
Doch auf dem Winterplaneten Glacier beginnt für ihn ein Abenteuer, das ihn auf einen ferne, rückständige Welt bringt, wo er eine gefährliche Situation nach der anderen meistern muß.
In einer Skihütte auf Glacier rekrutiert ihn eine schöne Frau für eine Organisation, die KONTAKT heißt und sich um Welten kümmert, die in ihrer Entwicklung noch nicht so weit sind wie die Erde.
Diese Frau ist selbst Agentin von KONTAKT und gerät während eines Einsatzes auf einer solchen Welt unter die Räder, gilt als verschollen.
Sascha besorgt sich ein Raumschiff und macht sich auf, sie zu finden und – wenn es sein muß – zu retten.
Heimlich landet er auf dem Planeten und sucht nach seiner Kollegin. Seine Suche führt ihn durch zwei Länder; in beiden hat er bald die versammelte Staatsgewalt auf dem Fersen. Doch während das erste Land noch eine einigermaßen demokratische Staatsform ausgebildet hat, wird das zweite von einem skrupellosen Herrscher regiert, dem »Schah-Mahn«.,
Und der stützt seine Macht auf eine finstere Schlägertruppe, die sich »Maskierte Schwadron« nennt.
Und ausgerechnet von dieser Terrorgruppe scheint Saschas Freundin gefangen gehalten zu werden.
Allein – d.h. fast allein, denn ihm hilft ein halbwüchsiges Mädchen – nimmt er den Kampf auf gegen eine brutale Diktatur einer fremden Welt…
Einsteins Planet ist noch nicht komplett erforscht. Die Guppe KONTAKT hat lediglich über zwei Länder dort Informationen – und diese beschränken sich darauf, was die Korrespondentin Lydia deKalish von ihrem ersten Besuch berichtete.
Lydia kennt allerdings auch nur zwei Länder bzw. Staaten näher: Tsuyderreich und Zentralien. Zwischen den beiden Ländern liegt ein hohes Gebirge, das nicht nur eine natürliche Grenze zwischen den beiden Staaten bildet, sondern auch für den tsyuderschen Dauerregen verantwortlich ist: Die vom Westen heranziehenden Wolken müssen sich über Wulbrand „leichtregnen“, um den Höhenzug überqueren zu können.
Daneben gibt es mindestens noch die Nordländer (ehemalige Kolonieen Wulbrands), deren Einwohner man übrigens ebenfalls „die Nordländer“ nennt und den Insel-Staat „Crabbeh“.
Zentralien (nach seiner Hauptstadt Zentral so benannt) ist ein wirtschaftlich starkes Land mit einer halbwegs demokratischen Staatsform.
Tsuyderreich hingegen wird von einem brutalen Diktator regiert, dem Schah-Mahn. Durch seine Schlägertruppe, die „Maskierte Schwadron“ an die Macht geputscht, regiert er das Land mit eisener Hand.
Erstmann Mushkäël, Unteroffizier bei der Maskierten Schwadron
Schwandroer Schärschälla, Vorsitzender der Rotdorn-Liga in Tsuyderreich
Sascha Menschenskind, zunächst Urlauber auf Glacier, später Junior-Korrespondent der Gruppe KONTAKT
Lydia deKalish, Freie Korrespondentin der Gruppe KONTAKT
Meinheer Barch, Großindustrieller in Tsuyderreich
Ancher Schämkowap Chepzärk, Chef der Sicherheitsabteilung des Schah-Mahn, die später Sicherheitsamt (SiA) von ganz Tsuyderreich wird
Fürst Schlitz-Ohr, Spross eines alten tsuyderschen Adelsgeschlechts und Mitglied der Schwadron und ihrer Elite-Einheit, der Kampfspitze (KSp)
Der Schah-Mahn, Herrscher über Tsuyderreich
Marcilla, Schülerin in einem Internat Tsuyderreichs
Champascha, Hausmeister des Internats, Mitglied der Schwadron, in der er später Luhtäänd wird
CARL, das Cybernetische Administrations- und Raumfahrt-Leitsystem an Bord der »Heinrich Heine«
Luht’nd Loran, Leiter der Polizeistation Rori-an-Wasser in Zentralien
Mero, Vorsitzender des Tseyuderreichkomitees in einem Stadtteil Zentrals
Schäm Schlachckfuß, Kampfmeister der Schwadron
Jorkresch, Rotdorn-Mitglied und Leiter einer Zelle der »Tsuyderschen Volksbefreiungsdivision« (TVD)
Kemscharin, ehemalige Lehrerin, Mitglied der WVB
Gschara, Halb-Nordländerin, Mitglied der TVD
Humschrach, Rotdorn- und TVD-Mitglied
Wulkengsch, Mitglied der TVD
Gscharenna, Frau des Fürsten Schlitz-Ohr
Meinheer Chomschorock, Pilot
Schempellock, Mitgllied des Illegalen Gefangenen Komitees (IGK) im Zentralgefängnis der Schwadron
Mehlhorn, Vorsitzender des IGK
Hombälock und Schimmäl, ebenfalls IGK-Mitglieder
Sascha ging auf das Raumschiff zu.
Es war eine schwarze Einpersonen-Raumjacht, die sich da vor ihm aufbaute, die Seitensegmente erhoben wie eine Fledermaus oder besser: wie ein Rochen. Sie hatte den Grundriß eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Spitze nach hinten wies. Dort befanden sich der Antrieb und die Heckdüsen, während vorne, an der Hypothenuse, ein großes, die ganze Vorderseite einnehmendes Fenster war. Hier war die Zentrale, die Kommandobrücke, oder der Aufenthaltsraum, je nach Betrachtungsweise.
Hier jedenfalls würde Sascha sich die meiste Zeit seines Fluges über aufhalten. Ansonsten war das Schiff wie üblich ausgestattet: Maschinenraum im Heck, Krankenzimmer, Sportraum, Werkstatt und Bad im Mittelteil, Zentrale vorn im Bug. Außerdem gab es noch eine kleine Aussichtskuppel oberhalb der Zentrale.
Das Heulen der Alarmsirene zerriß die Stille. Plötzlich. Laut. Schneidend.
Erstmann Mushkäëll ruckte hoch. Er war über dem Tisch eingenickt. Kurz hinübergedämmert ins Land der Träume. Kein Wunder, sie waren seit mehreren Tagen in Alarm-Kondition Gelb. Kaum Schlaf, immer in voller Kampfausrüstung, immer wieder Übungen. Da mußte man doch müde werden, der Körper fordert seine Ruhephase. Auch, wenn man gestählt und abgehärtet ist wie Mushkäëll und seine Leute.
Doch nun war er wach. Hellwach, von einer auf die andere Sekunde. Er war da, kampfbereit. Und er wußte, was das Heulen bedeutete: Alarm-Kondition Rot. Es ging los. Los. LOS!
Mushkäëll war ein auf brutale Art gutaussehender Mann. Er war gut gebaut, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, hatte ein offenes Gesicht mit einem breiten Kinn und konnte, wenn er wollte, ein sympatisches Grinsen aufsetzen, das schon vielen jungen Mädchen zum Verhängnis geworden war.
Er sprang auf und lief hinunter zum Appellhof.
Inzwischen erwachte die Kaserne zum Leben. Überall Getrappel, heiser gebellte Befehle, Rufe, Türenschlagen.
Die Flure, Gänge, Treppenhäuser füllten sich mit eilig dahinhastenden Schwadroniern. Die kurze Nacht war zu Ende.
Einsatz.
In voller Ausrüstung: schwarze Kampfanzüge, schwere Knüppel, blitzende Messer im Gürtel, Gewehre auf dem Rücken, Pistolen in den Holstern, die Gesichter verhüllt von der schwarzen Maske, so stürmten sie hinunter.
*
Während sie noch überlegte, hatte sich der Bus bis an die Sperre vorgeschoben. Die Tür ging auf, zwei Schwadronier stiegen ein. Schwarze Kampfanzüge, schwarze Kapuzen, so daß man die Gesichter nicht erkennen konnte. Einer der beiden begann, sich von den Fahrgästen die Papiere zeigen zu lassen, der andere sah sich interessiert im Bus um. Und kam natürlich zielstrebig auf Marcilla zu.
Sie mußte schlucken. Irgendwelche Igel krabbelten in ihrem Magen herum. Jetzt nur nicht aufregen!
Der Schwadronier sah sie aus den Schlitzen seiner Maske durchdringend an.
»Papiere!« bellte er dann.
Gehorsam reichte ihm Marcilla das Gewünschte und lächelte artig. Ihre Hände zitterten leicht, und sie hoffte, daß das unbemerkt bleiben würde.
Der Maskierte ließ sich Zeit. Betont langsam blätterte er in Marcillas Paß, ihrem Familienschein, ihrem Schülerausweis.
»Dein Vater ist Ausländer«, stellte er dann fest.
Marcilla schwieg, bemühte sich aber, unschuldig auszusehen.
»Augenblick«, sagte der Schwadronier und schickte sich an, mit ihren Papieren den Bus zu verlassen.
Jetzt mußte ihr aber schnell etwas einfallen, sonst konnte sie direkt wieder zurück ins Internat, zu Hänlän und dem Pförtner.
Aber wo blieb ihr Geistesblitz?
*
Papiere!« Auch dieser Schwadronier war im Bellen besser als im Sprechen.
»Moment.« Sascha griff in die SurvPac-Tasche. Doch als er die Hand wieder herauszog, brachte er keine Ausweise zum Vorschein, sondern ein paar kleine Spielsachen, die er nun nach und nach zum Einsatz brachte. Als erstes eine Narkokapsel, mit der er den Maskierten vor ihrem Auto mattsetzte. Ein paar weitere Narkokapseln warf er in die Gruppe der übrigen Schwadronier. Zusätzlich zündete er einige Rauchbomben, die schnell die ganze Straße vernebelten, und, um die allgemeine Verwirrung noch zu steigern, räumte er mit einer Minigranate einen der leeren Schwadron-Wagen aus dem Weg. Es gab eine wunderschöne, wenn auch nicht besonders heftige Explosion, einen orangenen Feuerball, und die Durchfahrt war frei.
Sascha zog den Gashebel. Mit quietschenden Reifen fuhr das Taxi an, vorbei an den rauchenden Trümmern des Schwadronfahrzeugs. Seine Geschwindigkeit war zu hoch, der Wagen schleuderte in der Kurve und krachte mit dem Heck gegen einen weiteren Schwadronwagen. Der Motor heulte auf, als Sascha noch mehr Gas gab, die Reifen drehten kurz durch, dann hatte er die Sache wieder unter Kontrolle. Als sie die Sperre hinter sich gelassen hatten, fielen ein paar vereinzelte Schüsse, offenbar waren nicht alle Maskierten von den Narkokapseln erwischt worden. Ein Querschläger zerschlug die Heckscheibe und blieb im Autodach stecken. Aber sonst richteten die Kugeln der Schwadronier keinen großen Schaden an. Sie waren blindlings in den Qualm geschossen und zu schlecht gezielt, um eine ernsthafte Gefahr bilden zu können.
*
»Wir sehen uns in Talgrund.«
Sie trennten sich. Marcilla verließ das Haus, Sascha stieg hinunter in die Kellerräume. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren, die Polizei mochte schon ganz in der Nähe sein.
Wieder stand er in dem muffig riechenden Raum mit der Falltür. Durch die geöffnete Luke schaute er hinunter auf den Fluss. Jetzt hörte er Geräusche von oben, Stiefelgetrappel, Pfiffe, Rufe. Hoffentlich hatte man Marcilla unbehelligt gelassen.
Das Wasser unten gefiel ihm immer noch nicht besser als beim ersten Mal. Aber es half ja nichts, er mußte runter. Schnell entledigte er sich seiner Kleidung (bis auf eine kurze Hose, die er diesmal anbehielt, weil er damit rechnen mußte, auf Leute zu treffen), verstaute alles im SurvPac und sprang.
»Menschenskind, auf welch eine Scheiße man sich hier einlassen muß!« dachte er, als er in die Brühe eintauchte. Eine Weile ließ er sich mit der Strömung treiben. Vorbei an Pfeilern, Mauern, kleinen hafenartigen Becken. Unter den Bögen und Gewölben hindurch, hin und wieder freien Himmel über sich.
Plötzlich sah er vor sich einen hellen Lichtschein. Er hatte gerade noch Zeit, sich hinter einem Pfeiler in Sicherheit zu bringen, als ein Polizeiboot herangetuckert kam. Es fuhr sehr langsam und leuchtete mit starken Scheinwerfern das Gebiet ab. Mal tanzte der Lichtkegel auf dem Wasser, mal auf der Brückenunterseite oder auf den Pfeilern. Sascha glitt vorsichtig um den Pfeiler herum, so daß er stets hinter dem dicken Gestein unsichtbar blieb. Verdammt, die Bullen waren gründlich. Leuchteten in jeden Winkel, jede Ecke. Endlich fuhren sie weiter.
Nun setzte er seinen Weg fort. Wieder ein Lichtschein vor ihm. Noch ein Polizeiboot? Er hielt es für das beste, in einem Seitenkanal zu verschwinden. Aber auch hier kam ihm nach einiger Zeit ein Patrouillenboot entgegen. So war er mehrfach gezwungen, seinen Kurs zu ändern und wußte in dem Labyrinth von Kanälen, Haupt- und Nebengewässern bald nicht mehr, wo er sich befand. Das Wasser war kalt, die Polizei machte ihm das Leben schwer, das Ganze ging ihm auf die Nerven.
*
Sie waren nicht länger Gehetzte, Fliehende, Gejagte, Fremdlinge. Sie waren Einheimische unter Einheimischen. Sascha hatte einen neuen Namen, einen Ausweis und einen Job, der ihm eine Uniform nebst Gala-Ausführung und sonstigem Zubehör bescherte – all das war in Schlachckfuß’ Koffer gewesen, den er in den frühen Morgenstunden aus dem Hotel des Schwadroniers geholt hatte.
Ferner war seine neue Aufgabe sogar mit einem monatlichen Gehalt verbunden, was er dankbar zur Kenntnis nahm, da seine Barschaft langsam zur Neige ging. Was das Wichtigste war: Er war nun in der Lage, ins Innerste der tsuyderschen Macht vorzudringen und sich genaue Informationen über Lydias Verbleib zu beschaffen. Da machte auch die Tatsache, daß er eine Leiche – bzw. einen Besinnungslosen – im Keller hatte, kaum etwas aus.
»Und – wie sehe ich aus?« fragte er Marcilla. Er hatte die ersten Stunden des neuen Tages damit verbracht, sich mit Hilfe diverser Utensilien aus dem SurvPac – MaskGel, Hautspray und Kontaktlinsen – in sein neues Selbst zu verwandeln. Seine Stirn war jetzt etwas höher, die Nase breiter und seine Augenfarbe Hellgrün statt Dunkelgrau.
»Zum Fürchten. Wie Schlachckfuß«
»Ja«, meinte Sascha, sich kritisch im Spiegel musternd, »ich find mich auch ganz gut gelungen.«
»Und – wie sehe ich aus?« fragte Marcilla nun ihrererseits. »Wie gefällt dir mein neues Höschen?« Sie tänzelte nur mit genanntem Kleidungsstück angetan, im Zimmer herum. Drehte sich um ihre Achse. Ihr kleiner Busen wippte und der knackige Hintern spannte den dünnen, mit Spitzen besetzten weißen Stoff.
*
Aber dann: Die Pläne der Gefängnisse! Ein dicker Ordner. Das war es. Grundrisse, Wachablösungen, alles! Auch vom Zentralgefängnis. Sein Scanner hatte viel zu tun. Dann hatte er alles Wesentliche abgelichtet. Sascha schloß die Tresortür, räumte auch ansonsten etwas auf, schließlich sollte man nicht auf den ersten Blick merken, daß sich hier jemand Unbefugtes zu schaffen gemacht hatte, packte den Scanner in das SurvPac zurück und wandte sich zur Tür.
Dort stand Chepzärk, begleitet von Champascha und fünf bis an die Zähne bewachten Schwadroniern. »Ich wollte es nicht nicht glauben«, begann Chepzärk gefährlich ruhig, und seine Augen glitzerten stärker als seine Brillengläser. »Hätte fast unseren Freund Champascha hier«, er klopfte ihm auf die Schulter, »aus dem Amt gejagt, als er mir von seinen Verdacht erzählte. ›Bleiben Sie mir weg mit Ihrem Nordländer-Jungen‹, habe ich ihm gesagt. Aber dann ist etwas passiert, das mir die Augen geöffnet hat. Und jetzt haben wir den Beweis.«
Sascha stand regungslos.
»Wollen Sie gar nicht wissen, was passiert ist?«
»Ich schätze, Sie werden es mir gleich erzählen«, antwortete Sascha trocken.
»In der Tat. Es tauchte jemand auf, den Sie kennen dürften. Zuerst habe ich auch ihm nicht geglaubt. Doch seit Ihrem Eindringen hier sind alle Zweifel beseitigt.« Er winkte aus dem Raum heraus. »Würden Sie bitte kommen?«
Und das Erscheinen desjenigen, der da ins Zimmer trat, versetzte Sascha einen noch größeren Schock, wenn das überhaupt möglich war. Es war Schäm Schlachckfuß.
»Houston!« meldete Sascha bei sich selbst, »wir haben da ein Problem!«
*
Das Haus war still und dunkel, seit langem unbenutzt. Sie brachten Marcilla in eins der Zimmer und heizten erst einmal den Kamin ein. Langsam, aber ganz langsam, wurde es warm und gemütlich.
Im Keller gab es reichlich Fruchtwein und sogar eingepökeltes Wild. Jetzt erst merkte Sascha, wie hungrig er war. Er hätte einen halben Reithund allein essen können.
Als das Essen dampfend auf dem Tisch stand, wurde Marcilla erneut wach. Sie aß schweigsam und sehr konzentriert. Und sie lächelte sogar.
Doch nach dem Essen fing sie hemmungslos an zu schluchzen. Sascha konnte es ihr nachfühlen. Im Gewahrsam der Schwadron zu sein, hätte ganz andere Leute ans Heulen gebracht.
Gscharenna kümmerte sich liebevoll um Marcilla, streichelte sie, küßte sie leicht und meinte schließlich: »Für solche Fälle gibt es ein altes Hausmittel: Ein warmes Bad. In weiser Voraussicht habe ich den Badeofen vorhin ebenfalls eingeheizt, also los, gehen wir.«
*
»Hat Gschara auch über das Honorar gesprochen?«
»Hat sie. Mehr als 1000 Tsuydi sind nicht drin.«
»1500.«
»Sie hat gesagt, ich soll mich nicht über’s Ohr hauen lassen.«
»Na gut: 1250. Wo ist dein Freund?«
»Draußen. Er ist verletzt. Ich hole ihn.«
Sascha hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Als sie mit ihm die Halle betrat, machte Chomschorock gerade ein Kunststück mit einem Vorschlaghammer. Mit gestrecktem Arm hob er das schwere Werkzeug, als sei es nichts, und lächelte Marcilla triumphierend zu. »Na, kann das dein Freund auch? Nein, nicht wahr? Ich sage dir: Ein älterer Mann ist das, was die jungen Frauen wollen. Hab ich nicht recht?«
Marcilla stöhnte innerlich. Laut aber sagte sie: »Mag sein. Fliegen wir jetzt?«
»Jetzt?» Meinheer Chomschorock war erstaunt. »Du scherzt. Es ist schon fast Sonnenuntergang.«
»Fast. So ist es: fast. Das heißt, wir können noch fliegen.«
»Für 1500.«
»1250. Und keine Slewonze mehr.«
»Slewonze?« fragte Sascha, weltentrückt.
»Gut, gut, 1250,« lenkte der Pilot ein. »Aber hilf mir, das Flugzeug rauszuschieben.«
»Das Wrack da?!« jetzt war Marcilla erstaunt.
»Das ist meine beste Maschine!« gab Chomschorock beleidigt zurück. »Entweder die – oder keine. Was ist nun – fliegen wir oder nicht?«
»Wir fliegen!« bestätigte Marcilla und hatte das Gefühl, ihre Seele dem Scheitan verkauft zu haben.
Gemeinsam schoben sie die Maschine aus der Halle auf das Rollfeld, wobei sich Sascha mehr an der Tragfläche festhielt, als daß er tatsächlich schob.
Dann stand das Flugzeug auf der geteerten Bahn, es war in der Tat ein eigentümliches Gerät. Es hatte zwei Tragflächen übereinander und an jeder Seite neben dem Rumpf einen Motor mit vierblättrigen Propellern. Die Kabine hatte vier kleine Sitze. Aber das ganze Teil sah nicht besonders vertrauenerweckend aus. In den Tragflächen gab es kleine Löcher, einige der Streben waren gebrochen und die Abdeckung der Motoren war schwarz von altem Öl, das offenbar seitlich austrat.
Aber Chomschorock hatte offensichtlich keine Bedenken. Er machte seinen Flugapparat in wenigen Kleinsaand startklar und forderte sie auf einzusteigen. Marcilla half Sascha, sich anzuschnallen und wenig später hob die Maschine ab.
Für den Flug gab es nur ein Wort: Fürchterlich. Sie flogen in geringer Höhe, um den Radarschirmen zu entgehen und hatten so keine Möglichkeit, dem Wetter zu entgehen, das sich weiter verschlechtert hatte. Eingeklemmt zwischen mehr und mehr ansteigendem Boden (das Grenzgebirge zu Zentralien begann) und dicken Wolken, deren untere Fetzen bisweilen die Sicht versperrten, wurden sie von Windböen und Luftdruckschwankungen gebeutelt und durchgeschüttelt. Das Flugzeug schwankte und bockte, während Chomschorock mit verbissener Miene durch die halb vereisten Scheiben starrte und mit verkrampftem Griff den Steuerknüppel zu bändigen suchte, der sich wie eine gefährliche Schlange in seinen Händen wandt.
Es gab keine Heizung in der Kabine, Marcilla fror erbärmlich (sofern sie nicht gerade von Hitzewallungen heimgesucht wurde, wenn die Maschine wieder einmal durchsackte und ihr die Angst in die Glieder fuhr).
Je höher sie ins Gebirge kamen, desto schlechter wurde das Wetter. Und als Marcilla schon dachte, daß keine weitere Steigerung möglich sei, wurde es noch schlimmer: Der Himmel war schwarz, Schnee, Hagel und Graupel schlugen auf das Flugzeug ein, Blitze zuckten auf und hieben auf die Tragflächen.
Sie wurden auf ihren Sitzen hin und hergeschleudert, und Marcilla klammerte sich an Sascha, der, noch immer der Welt entrückt, all das mit stoischer Ruhe ertrug.
*
Bibbernd verkroch er sich hinter einen Kamin. Hier konzentrierte er sich, befahl seinen Blutgefäßen, sich zu öffnen, bis es ihn warm durchströmte. Er wußte, daß er damit seine Körperenergieen sträflich angriff, aber da er davon ausging, das Abenteuer bald überstanden zu haben, machte er sich nicht viel daraus. Als ihm wieder warm war, versuchte er sich zu orientieren. Wo war der Kamin, den er als Versteck benutzt hatte? Aus dieser Perspektive sah alles doch ein wenig anders aus als bei seinem letzten Besuch. Aber Moment mal, das Hauptgebäude, rechts von ihm. Das bedeutete, Menschenskind, ja genau, jetzt wußte er, wo er war. Gebückt lief er über das Dach, Deckung suchend, wenn ein Scheinwerfer herüberblitzte. So erreichte er endlich »seinen« Kamin, lockerte den Stein, den er erst kürzlich schon einmal gelockert hatte, fand dahinter sein Päckchen.
Alles war da: CompCom, PharmoMat, seine Werkzeuge und Waffen. Er fühlte sich endlich wieder wie ein »ganzer« Mensch. Zunächst einmal verarztete er seine zahlreichen Wunden und Blessuren. Danach fühlte er sich noch ein gehöriges Stück besser. Und nachdem er auch noch die von CARL geschneiderte Schwadron-Uniform angezogen hatte, fühlte er sich unangreifbar. Als erstes probierte er die Funkverbindung. »CARL?« flüsterte er in in den CompCom.
*
»Dann müßt ihr sie eben selber kapern, verdammt!« blaffte Sascha. »Gerade erzählt ihr was von Waffen, und jetzt…«
»Lüdjas zweiter Fehlversuch hat uns alle eben demoralisiert«, entschuldigte Schempellock die Zurückhaltung des IGK. Anschließend spähte er kurz um die Ecke, ob sie auch nicht entdeckt worden waren. »Du hast recht, wir können die 200 Leute nicht im Stich lassen!« bemerkte er, als er wieder zurückkam.
»Na, endlich mal ein vernünftiges Wort!« meinte Sascha fröhlich. »Nun gut, dann ist ja alles klar. Auf mein Zeichen startet die Aktion!«
Die Sitzung war beendet. Vorsichtig verließen die Teilnehmer den Ort des Geschehens. Als sie den Hauptstollen betraten, trafen sie auf den Wächter, der schon einmal Saschas Alleingang gerügt hatte. »Sie mal an!« meinte er kackfreundlich, »mein Freund wiedermal auf Extratour. Und ein paar Freunde hat er auch dabei. Jetzt bin ich aber gespannt auf die Erklärung.«
Genau in dem Moment brach die Decke ein. Und die Hölle los.
Michael Steinmann, Jahrgang 1954, ursprünglich Grafiker und ein alter Hase der Werbung, gründete mit 33 eine Werbeagentur, die in den Anfangsjahren außerordentlich erfolgreich war.
Und zwar so sehr, dass er glaubte, bald die »Frank-Schätzing-Rochade« vollziehen zu können und sich ganz auf die Schriftstellerei zu verlegen.
Dass und warum das misslang, hat er in seinem autobiografischen Roman über seine Erfahrungen in der Werbewelt und als Geschäftsführer einer Werbeagentur beschrieben: »6,66 Euro, die ganze Wahrheit über Werbung« handelt vom großen Selbstbetrug der Werber und ist ebenfalls bei Lesewuth erschienen.
Sein Hauptinteresse blieb aber immer die Science Fiction. Und so legt hier seinen Roman-Erstling von 1992 in überarbeiteter Neuauflage vor.
Steinmann ist verheiratet, hat einen Sohn, ist seit zwei Jahren stolzer Großvater und lebt aus diesem Grund seit Kurzem in Düsseldorf.
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